Sinagoga und Synagoge
(und ihre Beschützer) -
Eine Fotomontage
     



     
 
 
Bei einem Besuch in der Neuen Pinakothek in München sah ich zum ersten Mal das Bild "Italia und Germania", das der Maler Friedrich Overbeck (3.7.1789 Lübeck ­ 12.11.1869 Rom) zwischen 1811 und 1820 malte. Als Vorlage für das Gemälde diente Overbeck eine Kreidezeichnung auf der er Sulamith und Maria darstellte. Sulamith eine jüdische Frau aus Salomos Hohem Lied (Vers 7) lehnt sich an Maria die christliche Mutter.
Overbeck gehörte zur Gruppe der 'Nazarener', ein deutscher Künstlerbund der Romantik, die zwischen 1810 und 1830 eine Erneuerung der Kunst auf religiöser Grundlage erstrebte.

"Mit Italia und Germania, die einander suchen und ergänzen ist die Sehnsucht gemeint, die den Norden beständig zum Süden hinzieht, nach seiner Kunst, seiner Natur, seiner Poesie" (F. Overbeck). "Hinter der lorbeerbekränzten Italia öffnet sich eine ideale italienische Landschaft mit Bergen, Wasser und einer Einsiedelei. Eine gotische Phantasiestadt bildet den Ausblick hinter der blondlockigen Germania mit ihrem Myrtenkranz. Werbend ergreift sie mit beiden Händen die Hand der Italia, die zart gewähren lässt."


(Sigrid Metken in "Die Nazarener in Rom", Prestel Verlag 1981, S.177.)

Warum nicht diese Verbindung Deutschland-Italien 'jüdisch' wenden und in die Gegenwart jüdischen Lebens in den beiden Ländern verorten? Während eines Besuchs in Rom entstand das Foto von der Synagoge. Die Synagoge war, ähnlich wie in Berlin, scharf bewacht und nur nach einer Kontrolle war der Eintritt ins Innere möglich.
Am Eingang der Synagoge stand dieser Carabiniere: jung, in eleganter Haltung mit einem Maschinengewehr lässig über die Arme gelegt. Zurück in Berlin machte ich die entsprechenden Aufnahmen von der Neuen Synagoge und des deutschen Wachmanns davor.
Die Entstehung der Fotomontage: "Sinagoga und Synagoge (und ihre Beschützer)" Es war sehr schnell klar, dass die beiden Landschaften hinter den Frauen durch die jeweilige Synagoge ersetzt werden mussten. Hierbei fällt auf, dass die Architektur der Großen Synagoge in Rom eher 'nordisch' wirkt, während die Architektur der Neuen Synagoge in Berlin unzweifelhaft maurisch also 'südländisch' ist. So 'kreuzen' sich die Architekturstile im Bild!
 
Rom: nordische Architektur Berlin: "südländische" Architektur
Die Unterschiede im Erscheinen des italienischen Carabiniere und des deutschen Wachmanns könnten nicht gegensätzlicher, aber auch ehrlicher sein. Während der Italiener sehr auf Eleganz, Aussehen und Pose wert legt, steht der Deutsche am Eingang wie ein großer Teddybär. Für beide Herren gilt dennoch das Gleiche: die Beschützer der beiden Synagogen (oder der Frauen???) sind in Wirklichkeit nichts anderes als Schosshunde. Das tatsächlich 'verbindende Moment' zwischen Deutschland und Italien in dem Bild ist die Nebeneinanderstellung der beiden Synagogen und die Tatsache, dass im heutigen jüdischen Leben in beiden Ländern polizeilicher Schutz vor den Gotteshäusern erforderlich ist.

Berlin im Oktober 2000